Alles andere als l’art pour l’art

Berlin /

Am Fraunhofer IZM wird Kunst-Geschichte geschrieben: Mit dem ArtGuardian, dem elektronischen Kunstbeschützer, gelingt der Sprung von der Forschung zur Produktion.

Art Guaridan Fraunhofer IZM
© ArtGuardian/ Janine Escher

Alles beginnt mit einem Hasen. Einem Feldhasen mit zarten Brauntönen, ruhig sitzend, die Pfoten parallel und mehr als 500 Jahre alt. Kein vergänglicher Hase, er soll die Ewigkeit erleben, auf Papier gebannt als Aquarell des berühmten Malers Albrecht Dürer. Als dieser Hase eine Reise antreten soll, eine neue Ausstellung ansteht, da waren plötzlich diese Fragen: Wie kann der Eigner sicher sein, dass sein Kunstwerk die höchst mögliche Umsicht erfährt? Wie können Museen und Galerien nachweislich zeigen, dass die Kostbarkeiten auf Achtsamkeit treffen?
Die Antwort: überhaupt nicht.

Bis zu dem Zeitpunkt, als Dr. Stephan Guttowski, Forscher am Fraunhofer IZM, sich diesen Fragen stellt. Guttowski ist damals Leiter der Abteilung Systemdesign und Integration. Der Elektrotechniker ist ein Kunstfreund – kein Kenner, dafür leidenschaftlicher Forscher. Außerdem: Kunst & Technik sind zwei Bereiche, die sich an vielen Ecken kreuzen. Es folgen zahlreiche Gespräche mit Restauratoren, Kunstwissenschaftlern, Informatikern und Produktdesignern. Wie kann Kunst zuverlässig geschützt werden? Denn sie kennt viele Bedrohungen: Licht, Hitze, Wasser in der Luft. Die Liste ist lang und die Lösung gilt es in verschiedenen technischen Ecken zu suchen. Guttowski sucht da nicht alleine­: Jan Hefer verantwortet Systemkonzeption und -design sowie das Userinterface und Carsten Brockmann übernimmt federführend die Entwicklung der Komponenten.

Sicherheit per Mausklick

Sieben Jahre später, nachdem der Dürer-Hase auf Reisen gehen sollte, ist es soweit: Der IZM-Kunsthüter geht in die Produktion. Die Testphase ist erfolgreich abgeschlossen, die Firmenausgründung vollzogen. Guttowski wird das neue Unternehmen leiten. Die technische Herausforderung war es, eine einfache und benutzerfreundliche Bedienung zu schaffen. „Das war von Anfang an unser Ziel, dass sich der Nutzer so wenig wie möglich mit der Technik beschäftigen muss“,  so der Forscher. Ein Knopfdruck genügt nun und der ArtGuardian beginnt mit der Arbeit.  

Ein Funksensorsystem, am Rahmen eines Gemäldes angebracht, ermittelt die Temperatur und die relative Luftfeuchtigkeit, die das Kunstwerk unmittelbar umgeben. Außerdem wird gemessen, wie viel Licht darauf fällt und ob es Erschütterungen ausgesetzt ist. All das sind die Parameter, die für den Erhalt eines Kunstwerks entscheidend sind. Gerade der Transport von wertvollen Objekten ist heikel, ob sie nun lange Strecken in einem Fahrzeug zurücklegen oder in einem Flugzeug gelagert werden. Ist die Sensoreinheit einmal angebracht, können auch diese Wege kontrolliert werden.

Vom Sensorsystem gehen die Daten an eine Basisstation, die bereitet die Informationen weiter auf und bewertet sie. Die Auswertung erfolgt über eine Software-Plattform, die gemeinsam mit dem Projektpartner Fraunhofer ISST entwickelt wurde. Die Basisstation ist mit dem Internet verbunden, so können die Werte online jederzeit abgerufen werden. Das ist Sicherheit per Mausklick, denn der Leihgeber hat die Gesundheit seines Kunstwerks stets im Blick. Die Grenzwerte werden individuell für jedes Kunstobjekt festgelegt. So kann beispielsweise die Berührung eines Gemäldes mit der Fingerspitze den Beschleunigungsalarm auslösen und wird sofort online gemeldet. In der realen Welt ist dieser Alarm hörbar: Das Sensorsystem beginnt zu piepen. Wie oft die Daten am Tag erhoben werden – ob alle fünf Minuten oder fünfzehn – wird ebenfalls individuell entschieden. Davon ist dann die Lebensdauer der Batterie abgängig. Ein Beispiel: Ruft das autonome Sensorsystem die Informationen alle fünf Minuten ab, so hält die Batterie rund zwei Jahre.

Angebracht wird es auf der Rückseite des Gemäldes, am Rahmen. 118 Millimeter ist es lang, 81 Millimeter breit und 11 Millimeter hoch. Mit diesen Maßen passt es sich dem Gemälde unauffällig an, sorgt im Schatten für seinen Schutz. Dabei müsste der ArtGuardian die Vorderseite keineswegs scheuen. Jüngst nahm das Forscherteam den iF Design Award entgegen, ein Ritterschlag für das innovative Designkonzept. So schützt quasi ein Kunstwerk die Kunst – ob nun Rembrandts „Jakobssegen“ oder Osman Hamdi Beys „Persischer Teppichhändler auf der Straße“. Und sollte Dürers Hase noch einmal umziehen, dann könnte der ArtGuardian nun auch sein Bodyguard sein.


Text: Eva Baumgärtner

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