Der dünnste Lautsprecher der Welt
Eine Revolution für Smartphone-Lautsprecher
Erstmals gelingt es, Mini-Lautsprecher auf MEMS-Basis herzustellen. Die Bautiefe variiert je nach Lautsprechertyp zwischen zwei und zwölf Millimetern. Einsatzgebiete sind mobile Kommunikationsgeräte wie Smartphones, Tablets und Kopfhörer.
Ob in Smartphones, Tablets oder Kameras – die MEMS-Technologie ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Dahinter stecken micro-electro-mechanical systems, winzige Chips aus Silizium, deren Strukturen sich im Mikrometer, also im Millionstel-Meter-Bereich, bewegen und die mechanische und elektrische Informationen gleichermaßen verarbeiten können. Als Beschleunigungssensoren in Fitnessarmbändern helfen sie, unsere Schritte zu zählen und als Neigungssensoren in Smartphones, dass sich das Bild einfach mitdreht, wenn wir das Handy bewegen. Doch eine Hürde wurde bisher nicht überwunden: Lautsprecher auf MEMS-Basis herzustellen. Bei der Mehrheit der Lautsprecher wird die Membran durch einen elektrodynamischen Antrieb zum Schwingen gebracht. Die Wandlung des elektrischen Signals in eine Schwingbewegung erfolgt hierbei durch das Zusammenspiel von Spule und Magnet; ein Prinzip, das auf dem Patent von Werner von Siemens aus dem Jahre 1877 basiert. Die Nachteile: Spule und Magnet brauchen viel Platz und Energie. Das österreichische Startup USound plant den Lautsprecher nun in die technologische Moderne zu holen – und setzt dabei auf die MEMS-Technologie. Die Erfolgsgeschichte von Mikrofonen auf MEMS-Basis wie sie in Smartphones zu finden sind, dient Unternehmen wie USound als Vorbild für den Lautsprechermarkt. Bereits nächstes Jahr soll eine neue Generation auf Halbleitertechnologie basierender Lautsprecher auf den Markt kommen – bei halb so viel Platzbedarf und 80 Prozent weniger Energieverbrauch. Die MEMS-Technologie ermöglicht, dass die einzelnen Komponenten dicht nebeneinander liegen; so wird enorm viel Energie gespart. Der Akku hält also länger. Ein besonderes Ziel von USound: Die neuen MEMS-Lautsprecher sollen noch besser klingen als die handelsüblichen.
Mit Hilfe von Fraunhofer wird dieses Neuland nun betreten. So brachte das Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT seine Expertise ein. Das österreichische Startup beauftragte das Institut bereits mehrfach, um die akustische Leistungsfähigkeit seiner Lautsprecher zu evaluieren. In Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Siliziumtechnologie ISIT arbeitet das IDMT im Projekt Smart Speaker an einer leistungssteigernden Audiosignalverarbeitung für MEMS-Lautsprecher. Damit ist das IDMT ein potenzieller fester Partner für USound. Das Fraunhofer ISIT entwickelte außerdem die MEMS-Chips mit leistungsfähigen Antrieben. Anstatt wie bisher elektromagnetisch wird der Schall nun piezoelektrisch erzeugt. Das Prinzip: Auf beweglichen Mikrostrukturen aus Silizium befindet sich eine piezoelektrische Schicht, die elektrische Energie in Bewegung umwandelt. Durch eine angelegte Wechselspannung werden auf dem MEMS-Chip Schwingungen und damit Schallwellen erzeugt.
Das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS wiederum sorgt für den energiesparenden Ansteuerchip, der in der Lage ist, die Energie, die auf der Kapazität des MEMS-Chips ist, wieder zurückzugewinnen. Diese aufwendige, aber effektive Schaltung ermöglicht eine sehr niedrige Ansteuerleistung beim Betrieb des neuen MEMS-Lautsprechers. Dank modernster Integrationstechnologien ist diese intelligente Ansteuerschaltung extrem klein. Den Aufbau dieser neuen Lautsprechergeneration übernahm das Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM. „Ziel war es, einen Prozess für die industrielle Massenproduktion zu entwickeln“, beschreibt David Schütze, Wissenschaftler und Projektleiter am Fraunhofer IZM, die Aufgabe. Die Herausforderungen begannen bei den einzelnen Bauteilen des neuartigen Lautsprechers und verlangten nach Kreativität und Improvisation, um das System aufzubauen. Mit einer Größe von fünf mal sieben mal zwei Millimetern ist der Lautsprecher der dünnste weltweit. So wurden Klebertröpfchen mit dem Durchmesser eines Haares auf die Komponenten aufgebracht, um sie präzise aufeinander zu setzen. Bereits geringe Unterschiede führen zu extremen Verzerrungen der ausgesendeten Schallsignale, sprich: Die Klangqualität wird dadurch erheblich gemindert. Nach fünf Monaten schließlich stand das Produktionskonzept, das von USound nun verfeinert und zur Marktreife geführt wird. „Das IZM hat die technischen Herausforderungen hervorragend gelöst, mit einer hohen Ausbeute gleich ab der ersten Lieferung“, resümiert Andrea Rusconi, Mitbegründer von USound. 2017 sollen die ersten MEMS-In-EAR-Kopfhörer und Lautsprecher - die USound nun zum finalen Produkt entwickelt - in die Serienproduktion gehen. Folgt man den Prognosen von Yole Développement aus Lyon, so setzt USound auf die richtige Technologie. Das französische Marktforschungsunternehmen prognostiziert, dass der allgemeine MEMS-Markt bis zum Jahr 2021 von knapp 12 Milliarden Dollar auf 20 Milliarden steigen wird (Quelle: Yole Développement, 2016).
Text: Eva Baumgärtner
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