360°-Echtzeiterfassung: Mit 3D-Radarsensoren zum autonomen Fahren ohne tote Winkel
Um beim automatisierten Fahren die höchste Sicherheitsstufe gewährleisten zu können, wurden im Projekt KoRRund 3D-Radarmodule entwickelt, die relativ frei am Fahrzeug positioniert werden können und, eingebunden in ein Sensornetzwerk, die 360°-Rundumsicht ermöglichen. So können sie ihr Umfeld in Echtzeit und aus allen Perspektiven gleichzeitig analysieren. Für diese lückenlose Abbildung der Umgebung entwickelten Forscherinnen und Forscher am Fraunhofer IZM zusammen mit Projektpartnern Packaging-Verfahren für zuverlässige Radarsensoren mit revolutionären Freiformflächen, mit denen jede Antennenform und Anbringung am Fahrzeug künftig realisierbar wird.
Allein auf den europäischen Straßen sollen bis 2030 zehn Millionen selbstfahrende Autos unterwegs sein – in China[1] fast doppelt so viele. Der Trend geht unweigerlich zum automatisierten Fahren, denn die Vorteile liegen auf der Hand: effizienterer Straßenverkehr durch Vernetzung der Fahrzeuge, Komfort und Zeiteinsparung für die Passagiere, vor allem aber erhöhte Sicherheit während der Fahrt. So passieren die meisten Verkehrsunfälle doch aufgrund von menschlichen Fehlern. Um diese Sicherheit gewährleisten zu können, werden automatisierte Fahrzeuge mit Radarsensoren ausgestattet, die ihre Umgebung scannen und verarbeiten. Da diese Sensoren derzeit flächig aufgebaut sind und bevorzugt an Front und Heck des Fahrzeugs angebracht werden, überwachen sie üblicherweise einen Bereich von 180°. Doch was, wenn eine gänzlich lückenlose Abdeckung des Umfelds gesichert werden könnte?
Um genau solch eine 360°-Echtzeiterfassung zu realisieren und somit die Aufnahme von kleinsten Objekten und Lebewesen aus verschiedenen Perspektiven zu garantieren, übersteigen Forscherinnen und Forscher im Projekt KoRRund die bestehenden Barrieren der Radar-Entwicklung und erforschten neue Ansätze räumlicher Auflösung sowie der Zielklassifikation.
Das Fraunhofer IZM war maßgeblich an den Entwicklungen des Teilvorhabens beteiligt, in dem Moldtechnologien für die 3D-Radarsensorik simuliert, aufgebaut und getestet wurden. Um optimale Hochfrequenz-Antennen mit den Methoden der Höchstintegration zu entwickeln, haben die drei Technologiepartner des Teilvorhabens (Bosch, Schweizer Electronic AG & Fraunhofer IZM) einzeln Lösungsansätze erarbeitet, die zusammen mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) bezüglich ihrer HF-Eignung bewertet wurden. Forschungsschwerpunkt von SEAG und Bosch in KoRRund war der Transfer vom Zweidimensionalen in die dritte Dimension durch das Einführen von flexiblen Bereichen, also die Realisierung klappbarer Aufbauten auf Basis etablierter Fertigungstechnologien. Hier schlug das Fraunhofer IZM auf Basis der Compression Mold Technologie einen vielversprechenden Weg hin zu 3D strukturierten Radarmodulen ein.
Die Forscherinnen und Forscher verkapselten das zuvor planare Hochfrequenz-Substrat in gebogener Form, so dass im Nachgang keine Fixierung mehr notwendig ist: Es entstand eine Freiformfläche für Antennen, die bei 76 GHz eingesetzt werden können und gleichzeitig nur ein Minimum an Bauraum beanspruchen. Mit Hilfe eines speziellen Verkapselungssystems wird es möglich, das bestückte Substrat zeitgleich formgebend zu hinterspritzen und eine auf dem Substrat montierte Hochfrequenz-Schaltung zu übermolden, also schützend zu umspritzen und – bei Flip Chips – zu unterfüllen. Somit kann nahezu jede beliebige Geometrie robuster und kostengünstiger 3D-Antennen realisiert und auch in großen Stückzahlen hergestellt werden. Diese Technik kann nicht nur für die Rundumsicht am Auto, sondern auch in verschiedensten Antennendesigns von Nutzen sein. Von runden, eckigen bis hin zu ganz speziellen Formen – mit dieser Freiform-Technik sind industrielle Anwendungen in fast allen Bereichen des Radars, der Optik und auch der Sensorik denkbar.
Das Projekt KoRRund, in der Langform „Konforme und multistatische MIMO-Radarkonfigurationen zur Radarumsicht für das automatisierte Fahren“, wurde Ende 2020 nach einer Projektlaufzeit von drei Jahren erfolgreich abgeschlossen. Die Projektpartner Inmach, die Hochschule Ulm, das KIT, die Schweizer Electronics AG und die Universität Ulm haben unter der Koordination von Bosch an den Erfolgen des Projekts ebenso mitgewirkt wie das Fraunhofer IZM. Gefördert wurde das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit einer Summe von 4,6 Millionen Euro.
[1] Nach den Prognosen des Beratungsunternehmens PwC: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/875147/umfrage/prognostizierter-pkw-bestand-in-regionen-weltweit-nach-art-der-pkw-nutzung
Letzte Änderung: