Fraunhofer-Forschende nutzen Quantenphotonik für abhörsichere Kanäle und extrem genaue Sensoren
Yes, we quant!
Forscherinnen und Forscher am Fraunhofer IZM wollen die Quantenphysik aus den Lehrbüchern in die Realität bringen. Mit Hilfe von optischen Glas-integrierten Wellenleitern entwickeln sie eine universelle Plattform, die es ermöglicht, Lösungen für abhörsichere Quantenkommunikation und hochgenaue Quantensensoren miniaturisiert, schnell und auf Kundenwunsch aufzubauen. Warum sich die Kombination aus Photonik und Quanten besonders gut eignet und welche Zukunftsbereiche sich durch Quantentechnologien eröffnen.
Schrödingers Katze befindet sich in einer Kiste – ist sie lebendig oder tot? Während die Kiste verschlossen ist, kann das Haustier beide Zustände haben, beendet man das Experiment und öffnet die Kiste, wird ein Zustand festgelegt. Was auf den ersten Blick wie ein philosophisches Paradoxon erscheint, ist ein Grundprinzip der Quantentheorie, die Superposition. Sie ist eine der vielen Besonderheiten von Quanten, die die Grundlage vieler physikalischer Gesetze legen.
Quantentechnologien sind schon über ein halbes Jahrhundert Teil unseres Alltags. So sind der klassische Laser und die Atomuhr quantentechnologische Geräte der ersten Generation. Nun stehen Forschende vor einer neuen Ära: Sie können die Zustände einzelner Quanten nicht nur auslesen, sondern auch aktiv anregen und sogar manipulieren. Mit dieser zweiten Quantenrevolution eröffnen sich völlig neue Anwendungen in der Kommunikation, der Simulation, dem Computing und der Sensorik. Allerdings braucht man derzeit noch recht komplizierte und energiefressende Laboraufbauten, um mit den so genannten Q-bits zu messen oder zu rechnen.
Forschende des Fraunhofer-Instituts für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM haben es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, den Schritt von der universitären Grundlagenforschung hin zu industriellen und kommerzialisierbaren Anwendungen zu gehen. Um kostengünstige Geräte zur realisieren, setzen sie auf technische Lösungen aus der Telekommunikation. Dort sind Photonen, also Lichtteilchen, die Träger der quantenmechanischen Information. Für ihre Übertragung und Manipulation sind bereits Protokolle und Infrastrukturen in Form von speziellen Leiterplatten vorhanden.
Eine große Chance für Lösungen in der Quantenkommunikation sehen die Forschenden in der Nutzung von optischen Wellenleitern, die in Glas integriert werden. Der klare Vorteil von Glasfasern gegenüber Halbleitern liegt darin, dass Glas transparent für Nahinfrarot-Wellen ist, welche bei Quantentechnologien genutzt werden. Außerdem weist Glas als optischer Wellenleiter deutlich weniger Verluste auf, stellt eine geringere Reststreuung des Lichts sicher, ist in der Produktion kostengünstiger und recycelbar.
Sichere Kommunikation mit Quanten-Kryptografie
Der Einsatz dieser glasbasierten Chips in Verbindung mit der Quantenphotonik erlaubt es, abhörsichere Kommunikationswege zu realisieren, wie sie im Bankenwesen, für die öffentliche Sicherheit und den Anspruch von souveränem Datenschutz unabdingbar sind.
Die Crux der quantenphotonischen Verschlüsselung liegt darin, dass sich der Zustand eines Photons nach dem Auslesen unweigerlich verändert. Somit ist es dem Empfangenden möglich, zu erkennen, ob die Information auf ihrem Weg abgefangen, ausgelesen oder reproduziert wurden. Dieses Abfangen im Kommunikationskanal zu erkennen und somit Datenleaks und Hackerangriffe zu verhindern, ist mit klassischen elektronischen Verschlüsselungsmethoden nicht möglich.
Quantensensoren für bislang unerreichte Messgenauigkeit
In der Quantensensorik machen sich die Expertinnen und Experten den Umstand zunutze, dass sich Q-bits wie Wellen überlagern können. Die dabei entstehende quantenmechanische Phase reagiert extrem empfindlich, wodurch sogar einzelne Atome ausgemessen werden können. Auf diese Weise entstehen Sensoren etwa für Gravitations- und Magnetfelder, die im Vergleich zu klassischen Sensoren eine bislang unerreichte Genauigkeit erreichen.
Zudem ermöglicht diese Lösung, Messungen auf absolutem Niveau, womit auf das Kalibrieren von Sensoren verzichtet werden kann.
Damit die hochgenauen Sensoren nicht von unerwünschten Umwelteinflüssen gestört werden, entwickeln die Forschenden isolierende Vakuumkammern auf Glas, so dass die Quantensensoren auch außerhalb von Laboren eingesetzt werden können.
Dr. Wojciech Lewoczko-Adamczyk und Oliver Kirsch, wissenschaftliche Mitarbeiter am Fraunhofer IZM, kennen die Vorteile der Quantensensorik: „Durch die Vakuumkammern auf Glas ist der Einsatz quantenmechanischer Sensoren auch an Orten möglich, an denen bislang nicht daran zu denken war, etwa als Biosensoren. Durch Messungen einzelner Atome, deren Spektren auf Magnetfelder reagieren, werden mit Hilfe von Licht Einblicke in die Magnetfelder von Herz oder Gehirn möglich, die medizintechnische Aufnahmen mit CT oder MRT ergänzen.“ Dabei versuchen die Forschenden, die Sensorsysteme so weit zu miniaturisieren, dass sich Patient*innen während der Untersuchung sogar frei bewegen können.
„Auch in der Lebensmittelforschung und Medizintechnik können Quantensensoren einen Beitrag leisten, da auch bei extrem geringer Konzentration von Viren oder Bakterien in einer Lösung weit über die herkömmlichen Standards hinaus gemessen werden kann“, so Oliver Kirsch weiter.
Doch die Vision der Forschenden ist größer als nur die Entwicklung einzelner Produkte: entstehen soll eine universelle Plattform, die es ermöglicht, quantenphotonische Geräte schnell und dem Kundenwunsch entsprechend aufzubauen. Hierfür werden in ein Glassubstrat wenige Mikrometer schmale Wellenleiter integriert, die das Licht gezielt dorthin führen, wo die Quanten angeregt und ausgelesen werden können. Zusätzlich wird das Glassubstrat mit Strukturen metallisiert, um auch elektrische Signale weiterzuleiten. Auf diese Weise entsteht eine Plattform, die optische und elektrische Informationen auf Quantenebene vereint – eine elektro-optische Leiterplatte.
Um diesem Ziel näher zu kommen, haben die Forschenden der Gruppe Quantum Photonic Packaging ihre photonischen Technologien so weit optimiert, dass sie für den Einsatz im Quantenbereich geeignet sind. In mehreren Projekten wollen sie die Quantentechnologien am Fraunhofer IZM bis zur industriellen Fertigung vorantreiben.
Das „QuantumPackagingLab“ wird von der EU und dem Land Berlin im Rahmen des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung gefördert.
(Text: Olga Putsykina)
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