Point-of-Care-Diagnose für mehrere Krankheiten gleichzeitig mit Hilfe der Photonik
Sie zählen zu unserem Alltag und sind namentlich spätestens seit Beginn der COVID-19-Pandemie auch einem fachfremden Publikum bekannt: PCR- oder anderweitige Antigentests. Zum Abschluss eines transnationalen Forschungsprojekts gibt das Konsortium unter der Leitung des Fraunhofer IZM nun bekannt, dass eine präzise photonische Point-of-Care-Plattform die neue Generation diagnostischer Systeme einführt. Das Kernstück der Plattform ist ein automatisches Auslesegerät auf der Basis von Mikrostrukturen aus optischen Fasern, die höchstgenaue Messungen gewährleisten und gleichzeitig bis zu sechs photonische Sensoren analysieren können. Krankheiten wie Tuberkulose und Q-Fieber können damit künftig frühzeitig erkannt und behandelt werden.
Die COVID-19-Pandemie hat erneut gezeigt, wie wichtig eine schnelle, erschwingliche und skalierbare Diagnostik von Infektionskrankheiten ist. Sowohl bei neuartigen Krankheiten als auch bei solchen, die schon seit Jahrzehnten analysiert und therapiert werden, führt der Mangel an wirksamen und frühzeitig einsetzbaren Diagnoseinstrumenten jedes Jahr zu Millionen von vermeidbaren Todesfällen. Im Gegensatz zu anderen Diagnosetechnologien, die in ihrer Zuverlässigkeit, Größe oder Erschwinglichkeit eingeschränkt sind, revolutionieren photonische Sensorplattformen die Point-of-Care-Diagnosemethoden, indem sie hohe Empfindlichkeit, Kompaktheit und Multiplex-Fähigkeiten für den schnellen und verlässlichen Nachweis von Infektionskrankheiten ermöglichen.
In dem vom Fraunhofer IZM koordinierten Projekt PoC-BoSens kam ein internationales Konsortium aus den Forschungsbereichen Photonik, Mikrofluidik, Biochemie, Elektronik und Biomedizin zusammen, um ein optofluidisches, patient*innennahes Diagnostiksystem für zellbasierte Proben zu entwickeln, das die quantitative Bestimmung unterschiedlicher Biomarker für mehrere Infektionskrankheiten in weniger als 15 Minuten ermöglicht. Die Projektkoordinatorin Dr. Alethea Vanessa Zamora Gómez vom Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM kann erfolgreich bestätigen: „Wir haben unsere Projektziele erreicht und können in einem bereits bestätigten Folgeprojekt die endgültige Integration der Prototypkomponenten und deren Qualifizierung mit den Projektpartnern realisieren. Zu den nächsten Schritten auf dem Weg zur Kommerzialisierung der Plattform gehören daher die Hochskalierung der optofluidischen Kartusche und der Ausleseeinheit, die klinische Verifizierung und die Validierung für die CE-Kennzeichnung.“
Die Technologie hinter der neuartigen PoC-BoSens-Plattform besteht aus einer erstmaligen Kombination neuartiger, photonischer Flaschenmikroresonatoren aus Glasfasern und einem mikrofluidischen System zum Transport der Testproben. Flaschenmikroresonatoren zählen zu einer Klasse von photonischen Strukturen, die sich durch exzellente Sensitivität und sehr hohe Kompaktheit auszeichnen und sich daher für eine multiplexfähige, schnelle Detektion von Zielmolekülen in beispielsweise PoC-Anwendungen sehr gut eignen. Allerdings waren Integrationslösungen zuvor weder für solche Flaschenresonatoren noch für andere dreidimensionale, optische Mikroresonatoren verfügbar, was ihren Einsatz bislang verhindert hat.
Genau hier setzt das Team um Zamora Gómez am Fraunhofer IZM an: Der erste Biosensor-Prototyp zeigt die erfolgreiche Demonstration der Integration einer praktischen Chip-Kartusche basierend auf vier Mikroflaschenresonatoren. Mit Hilfe von halbautomatischen Werkzeugen in den Laboren des Fraunhofer IZM wurden diese Mikrostrukturen auf einem photonischen Chip mit hoher Präzision von unter einem Mikrometer eingebracht. In einem zweiten Schritt wurde der hybride photonische Chip mit einem Mikrofluidik-Chip verbunden. Eine solche optofluidische Konfiguration eignet sich hervorragend für eine mehrkanalige Detektion von Zielmolekülen. Ein kompletter Integrationsprozess eines Arrays von Mikroflaschen auf einem Chip ist aufgrund seiner Komplexität noch nie durchgeführt worden. Das Projektteam am Fraunhofer IZM ist dieses Wagnis eingegangen: Der assemblierte Chip kann nun mit dem Auslesesystem kombiniert werden, um Zytokine als Zielmoleküle in der PoC-BoSens-Plattform zu analysieren. Zytokine bilden eine vielfältige Gruppe von Eiweißen, die eine wichtige Rolle sowohl bei Krankheitserregern von Tuberkulose und Q-Fieber als auch im Immunsystem spielen. So steuern und koordinieren sie die Abwehr von Krankheitserregern und sind deshalb mitverantwortlich dafür, dass eine Immunreaktion erfolgreich abläuft. Weitere Anwendungen könnten dem Nachweis von Antikörpern dienen, die bei Zöliakie und anderen Krankheiten relevant sind, bei denen schnelle Diagnose- und Überwachungstests unerlässlich sind.
Ein hochqualifiziertes multidisziplinäres Konsortium arbeitet weiterhin an den Ergebnissen des Projektes, um weitere Fortschritte für die Diagnostik zu liefern. Die beteiligten Partner aus vier verschiedenen Ländern stammen aus dem akademischen Bereich und der Industrie: Fraunhofer IZM (GER), Austrian Institute of Technology (AUT), Scuola Superiore Sant'Anna (IT), MDX Devices GmbH (GER), ifU Diagnostic Systems GmbH (GER), Diarect AG (GER), SCIENION GmbH (GER), Syel S.R.L. (IT) und Unitive Design & Analysis Ltd (UK). Das Bundesministerium für Bildung und Forschung förderte das Projekt PoC-BoSens im Rahmen der transnationalen Förderinitiative „Photonics Based Sensing ERA-NET Cofund (PhotonicSensing)”. Die Projektlaufzeit war vom 1. April 2018 bis 31. Dezember 2021, das Projektvolumen betrug ca. 2,4 Mio. Euro.
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