Wie dicht sind die Gehäuse unserer Elektronik?
Produktionsfirmen von Elektronikequipment, das zum Beispiel in Autos oder Industriemaschinen eingebaut wird, kennen es: Elektronikgeräte fallen früher aus als geplant, wenn in das schützende Gehäuse der Bauteile Feuchtigkeit eindringt. Um das zu verhindern, werden Zuverlässigkeitsanalysen der Elektronik durchgeführt. Nun haben sich Forschende am Fraunhofer IZM in Zusammenarbeit mit dem European Center for Power Electronics (ECPE) auch mit den klimatischen Bedingungen in Elektronikgehäusen beschäftigt. Mit einem umfassenden Test-Kit aus Simulationen und Analyseverfahren können Umwelteinflüsse so schon in der Konstruktion von Dichtungskonzepten mitgedacht und nachgelagerte Fehleranalysen vermieden werden.
Damit elektronische Komponenten ungestört von Feuchtigkeit arbeiten können, brau chen sie ein schützendes Gehäuse, das diese nach Möglichkeit von den empfindlichen Bauteilen fernhält. Nur so kann eine hohe Lebensdauer beispielsweise bei Motoren in Autos oder großen Industriemaschinen gewährleistet werden. Je nach Anwendung müssen die Gehäuse unterschiedlichen Umwelteinflüssen und wechselnden klimatischen Bedingungen entsprechend konzipiert werden. Denn durch eine innere Temperaturverteilung, die sich aus der Verlustleistung der entsprechenden elektronischen Baugruppen ergibt, können sich Mikroklimas in ihnen bilden. Durch überlegtes Platzieren der sensitiven Bauteile kann ein funktionierendes, elektronisches System erzeugt werden, bei dem sich das Mikroklima im Gehäuse für die Anwendung der Elektronik lokal günstig ausprägt.
Dass die klimatischen Bedingungen in einem abgeschlossenen Gehäuse je nach Betrieb nicht konstant sind, konnte im Rahmen des erfolgreich abgeschlossenen Projekts RoDosH (Relevance of Diffusion of Humidity in sealed Housings) nun am Beispiel eines Photovoltaik-Wechselrichter-Gehäuses der Firma SMA gezeigt werden. Ein Wechselrichter wandelt die erfasste Solarenergie in einem Solarmodul so um, dass er ins Stromnetz eingespeist werden kann. Die Abteilung Environmental & Reliability Engineering am Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM, die schon seit 30 Jahren Zuverlässigkeitssimulationen und -bewertungen durchführt, hat ihr Methodik-Knowhow für die Untersuchung des Wechselrichter-Gehäuses in vier Prozessschritten eingesetzt. Das Besondere dabei ist die Kompetenzvielfalt der Forscher*innen. Denn um Materialien bis ins Detail charakterisieren und simulieren zu können sowie den Austausch mit Kolleg*innen aus der Fertigung des eigenen Instituts einfließen lassen zu können, braucht es jahrelange Erfahrung aus diversen Forschungs- und Industrieprojekten, die das Fraunhofer IZM und auch die Arbeitsgruppen mitbringen. Neben der Vielzahl an Anwendungsfällen, die die Forscher*innen aus vorherigen Arbeiten mit einfließen lassen, verfügen Sie über modernstes Equipment - von klassischen Klimakammern über besondere Droptest-Maschinen bis hin zu speziellen Messgeräten, wie einem sogenannten TGA-SA, gleich Thermograviations- mit Sorptionsanalyser.
Charakterisierung und Modellierung von Dichtungskonzepten
Den klassischen aber auch spezifischeren Zuverlässigkeitstests vorgelagert, sind im ersten Schritt am Fraunhofer IZM fast immer Belastungsprofile oder auch Mission Profiles. In diesem Fall wurden zwei Belastungsprofile für das Gehäuse des Photovoltaik-Wechselrichters abgeleitet, die ausführlich darstellen, welchen klimatischen Bedingungen Gehäuse dieser Art an verschiedenen Orten auf der Welt ausgeliefert sind. Dabei haben die Expert*innen aus Berlin ein Profil unter harten klimatischen Bedingungen, z.B. Photovoltaik-Geräten aus Kuala Lumpur und Mumbai umgesetzt, in dem sie die verfügbaren Wetterdaten aus dem Internet analysiert und skizziert haben, wie sehr hohe Durchschnittstemperaturen und eine hohe Luftfeuchtigkeit. Parallel wurde auch ein Belastungsprofil aus moderateren Temperaturbereichen der Erde erstellt, in dem Wetterdaten aus Kassel, Peking und Tromsø ausgewertet wurden.
Im zweiten Schritt testete das Forschungsteam das Gehäuse des Photovoltaik-Wechselrichters in diversen Durchläufen in Bezug auf die Temperaturen in und außerhalb des Gehäuses. Neben klassischen Klimakammern verwendeten sie dafür auch spezielle Messgeräte zur Materialcharakterisierung, wie den TGA-SA, mit dem besonders kleine Mengen an Feuchtebelastung durch die Messung der Gewichtszunahme über eine lange Zeit kontinuierlich gemessen werden können. Um hier über das Klima im Inneren versus außerhalb des Gehäuses auf die Dichtungskonzepte und Beschaffenheit einzelner Gehäusematerialien genauer Auskunft geben zu können, analysierten die Klima-Expert*innen dafür die entsprechenden Diffussionskoeffizienten. Diese bestimmen dieGeschwindigkeit, in der die Feuchtigkeit durch ein Material ein- oder wieder ausdringt. Der partielle Wasserdampfdruck, die Luftfeuchtigkeit und weitere Erkenntnisse wurden im dritten Schritt, der gekoppelten Simulation von Temperatur- und Konzentrationsfeldern mittels der Software ANSYS®, modelliert und ermöglichten so die Darstellung der relativen Luftfeuchtigkeit und die lokale Temperaturverteilung im Gehäuse. Weitere durchgeführte Simulationen zu Kondensationsrisiken, basierend auf den in Schritt zwei experimentell ermittelten Materialeigenschaften und eines Tag-Nacht-Zyklus mit normalen und verlängerten Haltezeiten sowie einer ungleichmäßigen Temperaturverteilung, wurden ebenfalls erstellt.
Bewertung der Lebenszeitrelevanz
Abschließend in Schritt vier geben die Test- und Simulationsexpert*innen Hinweise darauf, wie sich eine kummulierende Feuchtebelastung auf die Lebensdauer der Systeme auswirken kann. Im Fall des Gehäuses des Photovoltaik-Wechselrichters tritt eine inhomogene Temperaturverteilung auf, die sich durch lokale Verlustleitungen ergibt und diese führt ebenfalls zu einer inhomogenen Feuchtigkeitsverteilung.
Das Projekt über eine Laufzeit von 18 Monaten hat gezeigt, dass das Simulationsmodell realistische Verhalten sehr gut vorhersagen kann und das Test-Kit des Fraunhofer IZM den Einfluss verschiedener Layout- und Materialoptimierungen von Gehäusen und elektronischen Komponenten eindeutig untersuchbar macht. Dieses Vorhaben kann so nun auf diverse elektronische Bauteile und deren Gehäuse zur Analyse, Bewertung und Charakterisierung der Lebenszeitrelevanz überführt und bereits in der frühen Entwicklungs- und Konzipierungsphase angewendet werden.
Besonders für Produktionsfirmen von Elektronikequipment jeder Art ist das eine Neuheit, denn bisher wurden Ausfälle der Elektronik höchstens durch Erfahrungswerte analysiert, wenn die Elektronik bereits ausgefallen war. Mit den Erkenntnissen der Expert*innen vom Fraunhofer IZM hat das ein Ende und die Dokumentation von Fehlern kann Simulation und Tests vor Inbetriebnahme der Elektronikgeräte zu sicherer und langlebigerer Elektronik inklusive ihrer Gehäuse führen.
Mehr zu dem Leistungsangebot der Gruppen finden Sie hier.
Das Projekt wurde durch das gemeinsame Forschungsprogramm der ECPE finanziert.
(Text: Niklas Goll)
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