Hochfrequenztechnik ganz in Glas
Um im Umfeld des Internets der Dinge wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen auch mittelständische Unternehmen der Industrie- und Prozessmesstechnik ihre Sensorschaltungen zunehmend in ASICs (Application Specific Integrated Circuits) integrieren. Diesem Bedarf kommt die Halbleiterindustrie aktuell mit niedrigeren Kosten für Entwicklungsdurchläufe und abnehmenden Stückzahlhürden entgegen. Im Chip-Packaging findet dies nicht ausreichend statt. Dadurch können ASICs, die individuelle Packages benötigen, Gefahr laufen, an den Stückzahlhürden der vorwiegend asiatischen Package-Dienstleister zu scheitern. Eine Lösung bietet jetzt ein Konsortium aus sieben Partnern aus Industrie und Forschung.
Ein gutes Beispiel für das o.g. Bedarfsprofil sind die im BMBF-geförderten Projekt „Glasinterposer-Technologie zur Realisierung hochkompakter Elektroniksysteme für Hochfrequenzanwendungen“ (GlaRA) realisierten Radarsensoren für die Industrie- und Prozessmesstechnik. Die gegenüber der Mobilfunktechnik höheren Frequenzen von >100 GHz und die strengeren Umweltanforderungen schließen Standardpackages aus. Sie müssen an spezialisierte Sensor-ASICs anpassbar sein und sich zugleich zu wettbewerbsfähigen Kosten in mittleren Stückzahlen realisieren lassen.
Das Konsortium hat hierzu eine zuverlässige Interposer-Technologie auf Basis von Glas für breitbandige Millimeterwellenmodule mit Anwendung in Sensorik und Kommunikation bei Frequenzen über 100 GHz als System-in-Package (SiP) aufgebaut und charakterisiert. Der demonstrierte Technologiebaukasten stellt eine Revolution für das Sensorpackaging dar: Gegenüber dem Stand der Technik erhöht er die integrierbaren Funktionalitäten durch verschiedene Wellenleiterkonzepte, hochdichte Mikroverdrahtung sowie hermetische Verkapselung. Zudem ermöglicht er durch hohe Genauigkeiten und Materialgüten Anwendungen bis zu 300 GHz. Dies wird innerhalb eines einzigen Materialsystems (Glas) unter anderem durch exzellente Wellenleitungseigenschaften und hochpräzise Mikrobearbeitung realisiert.
Durch die Verwendung von Glasinterposern mit elektrischen Durchführungen (Vias) wurde ein hermetisches Packaging demonstriert, bei dem die Komponenten zwischen zwei Glasinterposern eingeschlossen werden. Die Herstellung der Packages erfolgt dabei auf Waferebene bis 300 mm Durchmesser. Wafer-Level-Packaging zeichnet sich durch moderate Kosten aufgrund der parallelen Bearbeitung vieler Komponenten und eine Ausrichtungsgenauigkeit innerhalb der engen Toleranzen der HF-Technik aus. Dafür kommen angepasste Standard-Anlagen aus der Bearbeitung von Siliziumwafern zum Einsatz, was die kommerzielle Umsetzung stark beschleunigt. Glas ist zudem auch in großen Panelformaten verfügbar: eine Skalierung zu großen Stückzahlen wird dadurch deutlich vereinfacht.
Die Ergebnisse stellen einen außergewöhnlich großen Erfolg für ein durch das BMBF gefördertes F&E-Projekt dar. Das Konsortium demonstriert dies anhand eines äußerst kompakten Radar-Frontends für künftige Radarfüllstandsensoren bei einer Betriebsfrequenz von 160 GHz, das bei der Endress+Hauser AG aufgebaut wurde. Das Glas-Package misst winzige (5,9 x 4,4 x 0,8) mm³ und enthält einen Radar-ASIC in SiGe-Technologie, sämtliche elektrische Verbindungen zur Anbindung an externe Elektronik, Teststrukturen zur Charakterisierung sowie einen Wellenleiteranschluss, der auch als integrierter Primärstrahler für eine Linsenantenne verwendet werden kann. Solche künftigen Füllstandsensoren zeichnen sich durch hohe Entfernungsauflösung, Messgenauigkeit und Strahlbündelung bei sehr kompakten Abmessungen aus. Sie sind daher für die immer kleiner und modularer werdenden Anlagen smarter Prozessmesstechnik hochinteressant.
Realisiert wurden die Demonstratoren durch eine neuartige Prozesskette, die mit dem revolutionären laserinduzierten Tiefenätzen (laser induced deep etching, kurz LIDE) der LPKF Laser & Electronics AG beginnt. Das Verfahren zur Erzeugung von Mikrostrukturen in Glas vermeidet Beschädigung am Material, wodurch ein handhabbares und hermetisches Glas-Package erst möglich wird. Das Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration hat einen industrietauglichen Prozess zur Metallisierung der Glas-Vias mit hohen Aspektverhältnissen realisiert. In einem Waferbondprozess erfolgt das hermetische Verpacken der assemblierten Komponenten durch Verbindung von zwei Glaswafern, die jeweils Vias und Kavitäten aufweisen.
Die Strukturierung und Metallisierung der Leiterbahnen auf den Glassubstraten erfolgt bei der PacTech GmbH. Die Bestückung mit Lotdepots auf den außenstromlos erzeugten Kontaktflächen wird mittels PacTechs SB²-Prozess, einem lasergestützten Verfahren für die sequenzielle Aufbringung von Lotkugeln, realisiert. Dabei kommen verschiedene Legierungen zum Einsatz, um ein gestaffeltes Assembly bei unterschiedlichen Temperaturen zu ermöglichen. Die MSG Lithoglas GmbH unterstützt die Realisierung der Hochfrequenz-Packages durch Herstellung von Kavitäten, die beispielsweise zur Aufnahme der ASICs eingesetzt werden. Mittels Niedertemperatur-Beschichtung werden zudem hochpräzise Abstandshalter aus Glas hergestellt.
Mit einem vom Institut für Mikrowellentechnik der Universität Ulm entwickelten Hochfrequenz-Konzept für das neue Package kann das Radarsignal bei über 100 GHz sowohl über einen Primärstrahler direkt eine Linse ausleuchten als auch über einen flexiblen dielektrischen Wellenleiter verlustarm zu einer abgesetzten Antenne geführt werden. Mit den unterschiedlichen Möglichkeiten, die Radarsignale aus dem Package abzustrahlen, können vielfältige Anwendungen bedient werden. Die Sentronics Metrology GmbH hat für die Qualitätskontrolle einen 3D-Hochgeschwindigkeitssensor mit Schichtauflösungen im Sub-Nanometerbereich entwickelt. Der Sensor wurde unter anderem für die Dichtheitsprüfung von verkapselten, evakuierten Glas-Packages qualifiziert.
Die Industriepartner sind an einer künftigen kommerziellen Verfügbarkeit der Technologie sehr interessiert. Sie sehen Potenziale für viele weitere Anwendungsgebiete wie Druckmesstechnik, Flüssigkeitsanalyse, Photonik, MEMS, Medizintechnik und Kommunikationstechnik jenseits 5G.
Das Förderprojekt „GlaRA“ wird von August 2017 bis März 2021 unter dem Kennzeichen 16ES0687K vom BMBF im Rahmen der TechSys-Ausschreibung gefördert.
Über LPKF
Die LPKF Laser & Electronics AG ist ein führender Anbieter von laserbasierten Lösungen für die Technologieindustrie. Lasersysteme von LPKF sind für die Herstellung von Leiterplatten, Mikrochips, Automobilteilen, Solarmodulen und vielen anderen Komponenten von entscheidender Bedeutung. Das 1976 gegründete Unternehmen hat seinen Hauptsitz in Garbsen bei Hannover und ist über Tochtergesellschaften und Vertretungen weltweit aktiv. Rund 20 Prozent der Mitarbeiter sind im Bereich Forschung und Entwicklung beschäftigt.
Website: www.lpkf.com
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